Martin Bilinovac: Exposure
Anlässlich der Ausstellung "Exposure" in der Fotogalerie Wien 2009
Camera Austria Nr. 114 /2011 Seite 84-85

Neben der bereits bekannten und etablierten „Werkschau“ hat die Wiener Fotogalerie im WUK 2010 ein neues Format für Einzelausstellungen geschaffen. Erklärtes Ziel der Reihe mit dem Titel „Solo“ ist es, vor allem jungeren KünstlerInnen eine Plattform für die Präsentation ihrers Werkes zu bieten. Nach dem Auftakt durch Corinne Rusch im vergangenen Jahr ist Martin Bilinovac der zweite Künstler, der nun als „Solo II“ die Räumlichkeiten der Fotogalerie bespielt.

Formal liegt der Schwerpunkt von „Exposure“ – so der von Bilinovac selbst gewählte Titel der Schau – auf großformatigen Darstellungen fast ausschließlich menschenleeren Interieurs. „ Insurrektion I“ (2010) zeigt eine mit Matratzen, Decken und Kissen verbarrikadierte, nur noch durch ihren Rahmen zu erkennende Tür in einer weißen Wand. Was in diesem ersten Bild der Serie- dem Titel „ Insurrektion (Aufstand, Aufruhr) entsprechend – programmatisch erscheint, zeigt sich in „Insurrektion II“ (2010) und „Insurrektion III" (2010) indirekt und subtil. Jeweils in der Ecke des gleichen kahlen Raumes, der außer eines ziegelbraunen Kachelboden mit schwarzer Leiste an Charakteristika nichts weiter zu bieten hat, befindet sich in dieser Fotografie ein einzelnes Bett. Neben der kompositorischen Strenge, der kühlen Symmetrie und Frontalität der Aufnahmen sowie der so vordergründigen Funktionalität dieser rein pragmatischen Standardbetten, die in ihrer äußersten Reduktion der Ausführung, des Designs so etwas wie Prototypen, wie die „Idee“ eines Bettes verkörpern, drängen sich erst auf dem zweiten Blick Unstimmigkeiten ins Bewusstsein. Während in Bild II die Matratze im oberen Drittel stellenweise durchhängt, so als wären ein paar Latten des Rostes herausgebrochen, verhindert eine zweite Matratze als „überflüssige“ Auflage des gezeigten Klappbettes von Bild III das ordnungsgemäße Schließen dieser praktischen Schlafstätte.

Bewusst baut Bilinovac diese Störfaktoren in die sonst so klare Komposition ein und evoziert damit Irritationen in unserem routinierten Zuschreibungen von Funktionalität. Dahinter steckt die Intention, eine feine Diskrepanz der Wahrnehmung zu erwirken, ein kurzes Aussetzten der Kontrolle in der Konventionen, eine Öffnung hin zu einem Nachdenken über die Welt der Dinge, über unser Vermögen und Unvermögen diese zu erkennen. Was Bilinovac damit anspricht, sind die grundlegendsten und mitunter schwierigsten Frage der Philosophie. Indem er die Wirkungsweise der Erscheinungen korrumpiert, konfrontiert der Künstler den Betrachter mit dieser Thematik.

Ebenfalls zu einer Rückkopplung zu einem kommentierten Reflektieren des subjektiven Blickes kommt es in der Serie „Zwei Türen“ (2009) Verbarrikadierte und verschlossene Türen und Durchbrüche verweigern das Verlangen nach Durchsicht, Ausblick und Öffnung in einem neuen Raum, der ob der zumeist provisorischen und unprofessionellen Konstruktion umso reizvoller und intimer erscheinen mag. Doch wo das ursprüngliche Begehren, enttäuscht wird, soll das Medium Fotografie einen neuen experimentellen Spielraum der persönlichen Erfahrungen, des Nachdenkens mit sehenden Auge eröffnen.

„Blauer Salon Wissenschaftsministerium Wien“ (2009), so lautet der Titel eines Einzelbildes im hinteren Raum der Galerie. Text und Bild fallen hier direkt zusammen, denn zu sehen gibt es tatsächlich das besagte Besprechungszimmer im prunkvollem Ambiente. Und doch stehen der glänzende Luster und das polierte Parkett nicht nur in Kontrast zu dem so improvisierten und billig wirkenden ungedeckten Laminattisch, sondern auch zu jenem medial übermittelten und verinnerlichten Bildern und Vorstellungen von ministerialer Repräsentation. Die Information zum Foto „ entlarvt“ die subjektive Imagination und macht zugleich deutlich, wie wenig sich ein so abstraktes , Machtgefüge, personalisieren und lokal verorten lässt. Die Bedeutung, die Kunst wird hier erst durch die Kontextualisierung, die die Wahrnehmung lenkt, erfahrbar: „Ich suche für meine Arbeiten nach einer Kombination von Text und Bild, die es mir ermöglicht, eine bestimmte Ebene in ihnen aufzumachen, um deren Ursprunge zu beleuchten und gleichzeitig von dem wegzuführen, was man meint, auf den Bildern selbst zu sehen „ 1, so der Künstler in einem Interview mit
Daniela Hammer- Tugendhat.

Bilinovac beschreibt hier einen Anspruch an seine Kunst, den er konsequent auch an sich selbst stellt. Indem er die Kontrolle in der Ausführung an die Apparatur abgibt, öffnet auch er sich für die visuelle Reflexion und das Zulassen der Diskrepanz zwischen Anfangsidee und mitunter unvorhergesehenem Endergebnis.

Daniela Billner

1 „Kein Handeln mehr möglich. Gespräch: Daniela Hammer – Tugendhat mit Martin Bilinvoac“ in : Martin Bilinovac Portfolio 2003 – 2007, Wien.