Ein Hocker, der Männchen macht? Am ehesten irritiert doch das Alltägliche
Anlässlich der Ausstellung "Martin Bilinovac" in der Akademie Graz 2014 Quelle Falter Nr. 28/2014 S. 39

Dass Fotos, besonders digitale, ein eher schwieriges Verhältnis zum "Realen" unterhalten, ist eine medienwissenschaftlich überstrapazierte Binsenweisheit. Sich an dieser künstlerisch abzuarbeiten, wird im Regelfall kaum weiterbringen. Bei Martin Bilinovac, dessen Arbeiten die Akademie Graz in ihrer Ausstellungsreihe "Kunst vor Ort" zeigt, liegt die Sache etwas anders. Zu unspektakulär sind die Motive, als dass man ihnen vorschnell Arglist unterstellen möchte, erst auf den zweiten oder dritten Blick merkt man, dass etwas faul ist. Der Trick stammt aus dem Krimigenre: Ein stiller, häuslicher Charakter scheint ganz harmlos und macht sich so verdächtig. Es sind an Farbe und Dekor recht karge Interieurs, die Bilinovac vor das Auge des Betrachters stellt. Umso eindringlicher wirkt die unterschwellige Irritation.
Da macht ein Hocker Männchen, steht nur auf zweien seiner Beine, als würde es ihn hinauf zu dem nicht viel kleineren Bleistift ziehen, der über ihm wie die Hand Gottes schwebt und auf ihn zeigt. Ein anderes Foto ist, so wie es ist, eigentlich unmöglich, weil es zwar eine Spiegelwand frontal ablichtet, aber nicht den Fotografen: Der Schöpfer bleibt verborgen, rätselhaft, das hat uns schon der Bleistift klar gemacht. Für unaufdringliche C-Prints impliziert das ganz schön viel Tobak.
Zuletzt bleibt der Betrachter auf sich selbst verwiesen und bekommt auf diesem Weg die Welt erklärt: "Denn der reflektiert Wahrnehmende erkennt in jeder 'Wirklichkeit' das Arrangement, bedingt durch die beschränkte Information, in welcher Hinsicht auch immer", wie Astrid Kury resümiert.